Mitte Oktober trieb es einen Teil unseres Teams für drei Tage nach Innsbruck, um sich dort gemeinsam mit Freund:innen gebührend von der Rad-Saison zu verabschieden und die kältere Jahreszeit einzuläuten. Ein Highlight des Trips: eine Ausfahrt ins Kühtai mit seinem legendären Anstieg auf den Sattel und retour.
Mit dabei war unsere Kollegin Meike, die ein paar Zeilen über einen Saisonausklang in beinahe magischer Herbst-Atmosphäre verfasst hat.
Innsbruck – ein Herbstmärchen
Man will ihn eigentlich noch nicht gehen lassen: den Sommer. Mit seiner Hitze und seinen Backofentemperaturen. Wenn einem die Schweißperlen über die Beine und über die Arme rinnen. Aber das ist egal – der Pass ist das Ziel. Das Kit kurz-kurz, die Wasserflaschen schon wieder fast leer, das Jersey offen und man ist dankbar für jeden Windstoß.
Jetzt werden die Tage kürzer, die Bäume bunter, die Sonne steht schräger, das Licht wird wärmer, die Luft kälter – der Herbst ist in vollem Gange und die ersten Vorboten des Winters zeigen sich in Form von Nebel in den Tälern und Schnee auf den Gipfeln.
So wie sich die Natur von ihrer Sommerpracht verabschiedet, wollen wir uns von langen Ausfahrten, heißem Asphalt, kühlen Bergseen und schnurgeraden Tanlines verabschieden – die Draußen-Saison würdig ausklingen lassen, bevor es im Winter nur noch auf kurze Stippvisiten mit dem Rad vor die Tür geht.
Innsbruck kommt da wie gerufen – während man tagsüber in der Sonne am Inn flanierend oder im Café sitzend die milden Herbsttemperaturen genießen kann, begegnet man im Kühtai schon dem ersten Schnee. Allerdings muss man sich diesen schwer erarbeiten.
Am Inn entlang aus Innsbruck heraus treibt es uns mit der Sonne im Rücken den Bergen entgegen. Die offenen Westen flattern im Wind, die Naben der Windschattenfahrer:innen surren und man denkt nicht an die Höhenmeter, die noch warten um den Kühtaisattel zu erreichen: auf 20 Kilometern sind es 1300 Höhenmeter mit Rampen mit bis zu 20% Steigung.
Und so beginnt es bei Kilometer 15 – Tritt für Tritt für Tritt. Am Anfang noch gemeinsam, zerfällt die Gruppe Kilometer für Kilometer in ihre Einzelteile. Jede:r versucht das eigene Tempo, den eigenen Rhythmus zu finden. Der anfangs noch unstete Atem wird regelmäßiger und man verfällt in einen meditativen Trott. Wir sind jetzt, hier, im Moment. Mit dem Rad, den Bergen, der Steigung, dem Ausblick, der Natur. Ab und zu hört man ein leises Fluchen oder auch mal ein lauteres ‘F***’, wenn die nächste Rampe wartet.
Kurz vor dem Sattel treffen wir uns wieder; nach dem letzten Tunnel vor dem Pass, in dem man vom Spiel aus Licht und Schatten wieder in die Realität zurückgeholt wurde. Die letzten (Höhen-)Meter werden zusammen zurückgelegt um gemeinsam den Sattel zu erreichen.
Erschöpfte, glückliche Gesichter und glänzende Augen sind das Ergebnis dieses Anstiegs. Die Landschaft ist atemberaubend. Die Farben morbide und doch einladend warm. Die kalte Luft beinahe greifbar und sichtbar. Die höheren Lagen sind gepudert von den ersten Schneefällen des Spätherbstes.
Doch um lange zu verschnaufen bleibt keine Zeit. Die Sonne nähert sich den Bergspitzen, das schräg einfallende Licht taucht die Höhenlandschaft in wohliges Abendlicht. Dieses wollen wir noch für die Abfahrt ins Tal nutzen.
Die Reißverschlüsse werden hochgezogen, Halstuch, Stirnband und Handschuhe aus der Trikottasche geholt, das Rücklicht eingeschaltet. Ein letzter Fistbump, bevor es die 1500 Höhenmeter zurück ins Tal geht. Die Laufräder rasen mit kaum spürbarem Widerstand über den größtenteils neuen Asphalt. Der kalte Wind schneidet im Gesicht, treibt selbst unter der Brille Tränen in die Augen.
Alle sind konzentriert, der Fokus liegt auf einem selbst und dem was seitlich und vor einem passiert. Niemand will stürzen, aber auch niemand möchte diesem Rausch der Geschwindigkeit nachgeben.
Der Asphalt und die Straßenmarkierungen fliegen vorbei, man erkennt die Stellen, an denen man vor ein paar Stunden noch fluchte und mit jedem Meter breitet sich im Körper eine größere Zufriedenheit aus.
...wohlbehalten treffen wir wieder in Innsbruck ein. Jetzt eine heiße Dusche und Pizza. Viel Pizza. Anschließend werden Pläne für den nächsten Tag geschmiedet. Schließlich war das erst Tag eins von drei.